30. April bis 3. Mai 2020 (Marburg)
2020-04-30
Jahrestagung der DPG: Zwischen Sehnsucht und Angst – Regressive Bewegungen im analytischen Feld
Liebe Kolleginnen, Liebe Kollegen, Liebe Interessierte und
Gäste,
die Deutsche Psychoanalytische Gesellschaft lädt Sie herzlich zu ihrer
Jahrestagung 2020 in Marburg ein. Das Thema der Jahrestagung »Zwischen Sehnsucht
und Angst – regressive Bewegungen im analytischen Feld« umreißt ein
Spannungsfeld, in dem das Phänomen der Regression sich zwischen den beiden
Polen des Lustvollen und des bedrohlichen oszillierend bewegt. Wir begegnen
regressiven Phänomenen im alltäglichen Leben als etwas Allgegenwärtigem – zum Beispiel
im Schlafen und Träumen, im Spielen und Sich-Erholen, im Kreativen wie im
Destruktiven, in Alpträumen und Verrücktheit, im Humor wie im Infantilen. in
der analytischen Situation bekommen regressive Bewegungen und Zustände eine
klinische Relevanz als Teil des psychoanalytisch-therapeutischen Prozesses und
erfordern vom Analytiker besondere behandlungstechnische Fähigkeiten. Allerdings
ist die Regression als manifestes psychoanalytisches Thema aus dem
gegenwärtigen theoretischen Diskurs weitgehend verschwunden. Woran könnte das
liegen? Hat sich die Psychoanalyse so verändert, dass Regression als ein
veraltetes klinisches Konzept erscheint, das wir nicht mehr benötigen? Oder hat
sich Regression in den theoretischen Konzeptualisierungen der unterschiedlichen
psychoanalytischen Richtungen und Schulen so ausgeweitet und konzeptionell
vermischt und aufgelöst, dass sich Regression darin eher implizit wiederfindet
und unter anderem Namen – z.B. Reverie (Bion) im Sinne eines träumerischen
Ahnungsvermögens – wieder auftaucht? Oder ist uns die Regression als analytisches
Konzept so selbstverständlich und vertraut, dass wir es als solches gar nicht
mehr wahrnehmen? Regressive Prozesse machen Angst: Angst vor Veränderungen,
Angst vor unsteuerbarem Erleben, Angst vor Zusammenbruch und Ich-Auflösung. Bezogen
auf diese Ängste spielen behandlungstechnische Fragen eine außerordentliche Rolle.
Können regressive Prozesse gesteuert und kontrolliert werden? Oder ist ihnen
eine Eigendynamik zu eigen, die sich spontan entwickeln können sollte? Welche
Schicksale können Regressionen im therapeutisch-analytischen Prozess erfahren?
Wann bleiben sie integrierbar, wann müssen sie entgleisen? Macht es Sinn von
einer Tiefe der Regression im Verhältnis zu psychischen Oberflächenphänomenen
auszugehen? Welchen Zusammenhang haben diese Fragen mit dem analytischen
Prozess, der Behandlungsfrequenz und dem Setting? Regressionen machen aber auch
Lust: sie können beglücken, euphorisch stimmen, berauschen und vitalisieren. In
der regressiven Erweiterung und partiellen Ent-Strukturierung des Ichs werden
Prozesse des Genießens wie der schöpferischen Kreativität aktiviert, ein
vitales Lebens- und Liebesgefühl wird intensiviert, Gemeinschaftsgefühle können
auf leidenschaftliche Weise geteilt werden und Angstlusterfahrungen vermitteln
ein dynamisches Gefühl von Halt und Sicherheit angesichts eines dosierten
Nervenkitzels, dem »Thrill« (Balint). In sozialer und gesellschaftlicher
Hinsicht begegnen uns regressive Phänomene in politischen und religiösen
Massen, wie auch als Gruppenphänomene, in denen sich sowohl
gesellschaftsverändernde als auch destruktive Potentiale mit sozialer Wucht zur
Geltung bringen können. Nationalismus und Fremdenfeindlichkeit nähren sich
davon ebenso wie sie zu Freiheits- und Demokratiebewegungen beitragen können. Natürlich
können auch psychoanalytische Institute – insbesondere, wenn sie unter einem
gesellschaftlichen Veränderungs- und Existenzdruck stehen – im guten wie im
schlechten Sinne von regressiven Prozessen erfasst werden.
Wir möchten Sie herzlich einladen, sich mit uns auf einen regressiv-kreativen
wie nachdenklich-progressiven und einen lustvollen wie nachhaltigen Tagungs-
und Diskussionsprozess einzulassen.
Klaus Grabska
Vorsitzender der DPG
Christine Bäuchle
Leiterin der Vorbereitungsgruppe
Termin:
30. April bis 3. Mai 2020
Veranstaltungsort:
Erwin-Piscator-Haus
Biegenstrasse 15
35037 Marburg
Weitere Informationen:
dpg-psa.de