12. Mai 2023 (Zürich)
2023-05-12
Buchvorstellung »Fünf Psychoanalytikerinnen – Frauen in der Generation nach Freud« von Nina Bakman
Moderation: Eva Schmid-Gloor
In diesem Buch geht es um die Geschichte der Psychoanalyse und insbesondere um das Leben und das Werk von fünf Psychoanalytikerinnen die am Ende des 19.Jahrhunderts geboren sind. Es handelt sich um Joan Riviere (1883-1962), Grete Bibring (1889-1977), Fanny Lowtzky (1873-1965), Grete Obernik (1893-1948) und Eva Rosenfeld (1898-1977).
In dieser Generation war es nicht selbstverständlich, eine Ausbildung, geschweige denn ein Studium zu absolvieren. Mit Ausnahme von Grete Bibring, die in Wien Medizinerin wurde, waren die anderen vier Frauen Laienanalytikerinnen und mussten um ihren Status kämpfen. Ausser Joan Riviere, waren alle Emigrantinnen. Grete Obernik wanderte bereits 1920 von Prag nach Palästina aus, Grete Bibring und Eva Rosenfeld flohen aus Österreich und Deutschland vor dem National-Sozialismus in die USA und nach London, die Russin Fanny Lowtzky ging 1939 von Paris nach Palästina, was Fenichel in seinen Rundbriefen mit der lakonischen Bemerkung quittierte: «Frau L. nach P. abgedampft». Die enorme Anpassungsleistung, die diese Frauen in der Emigration leisteten wird häufig unterschätzt: sie verloren ihr Land, ihre Sprache und ihr Umfeld. Sie äusserten sich nur in Andeutungen in Briefen oder Memoiren dazu. Sie waren zu sehr mit ihrem privaten und beruflichen Überleben beschäftigt.
Jede von ihnen verfolgte einen bemerkenswerten Weg und befasste sich mit verschiedenen Aspekten der Psychoanalyse. Grete Obernik und Fanny Lowtzky arbeiteten vornehmlich mit Kindern in der Not, Grete Bibring war die erste Frau die als Professorin für Medizin an der Harvard Universität lehrte. Joan Riviere war zugleich Patientin und Übersetzerin von Freud. Sie zeichnete sich durch ihre hervorragenden englischen Übersetzungen seiner Werke aus, die heute noch wegen ihrer Qualität der Standard Edition von James Strachey bevorzugt werden. Sie fühlte sich jedoch von Freud benutzt, weil sie das Gefühl hatte, er interessiere sich mehr für ihre Übersetzungen als für sie selbst, denn er besprach sie während den Analysesitzungen. Eva Rosenfeld schrieb in den letzten zehn Jahren ihres Lebens ihre Memoiren – auf Englisch – für ihre Enkelkinder und hinterliess ein wertvolles Zeugnis der Geschichte der Psychoanalyse. Sie war sowohl bei Freud als auch bei Melanie Klein in Analyse und hatte das seltene Privileg, beide zu vergleichen.
Sie alle wirkten unter schwierigen historischen Umständen für Kinder, für Patientinnen und Patienten, für die Psychoanalyse. In gewisser Hinsicht nahm jede von ihnen eine dienende Funktion ein, ohne dass sie für ihre Arbeit und ihr Werk die Anerkennung bekamen, die sie verdient hätten.
Nina Bakman, lic. phil. (Maur), studierte Literaturwissenschaft in Genf und Heidelberg und klinische Psychologie in Konstanz. Von 1989 bis 2008 war sie Psychologin an der Psychologischen Beratungsstelle beider Hochschulen in Zürich. Sie war Psychoanalytikerin in eigener Praxis und Dozentin am Freud-Institut Zürich bis 2019. Sie ist emeritiertes Mitglied der Schweizerischen Gesellschaft für Psychoanalyse/IPA und war von 2015 bis 2018 Vize-Präsidentin der SGPsa. Ihre Forschungsgebiete umfassen psychische Probleme von Studierenden und die Geschichte der Psychoanalyse. Sie hat die «Protokolle der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung 1906-1918» für den Verlag Gallimard ins Französische übersetzt: «Les premiers psychanalystes», 4 Bde (1976-1983). Aus der Zeit an der Psychologischen Studentenberatung stammt der Artikel: «Lern - und Arbeitsstörungen bei Studentinnen» (2008). Zur Geschichte der Psychoanalyse hat sie, ausser den Arbeiten die im Buch enthalten sind, Artikel über Heinrich Meng und den Briefwechsel zwischen Gustav Bally und Alexander Mitscherlich 1946-1948 geschrieben.
Die Veranstaltung des Forums ist öffentlich, anerkannt von SGPP und PSY-Verbänden, 2 Credits.
Veranstaltungstermin:
12. Mai 2023, 20:30 Uhr
Veranstalter und Veranstaltungsort:
Freud-Institut Zürich
Seefeldstrasse 62
8008 Zürich
Weitere Infos:
www.freud-institut.ch
Im Psychosozial-Verlag erschienen: